| Aene Gespinst |






aene gespinst.





26.10.09



||| Ach du liebe Zeit, wo ist die Zeit geblieben??
So oder so ähnlich denke ich das bestimmt ein Mal pro Tag. Und wer tut das nicht... Oh, ich weiß, wer das nicht tut. Ich erinnere mich an ein Erlebnis in Afrika diesen Sommer: Ein Afrikaner, Djoumé, fragt mich, was Stress sei, weil ich davon redete. Was für eine wunderschöne Frage. Er kannte das Wort tatsächlich nicht, obwohl er immerhin Lehrer ist. Es war dann nicht einfach zu erklären, ich habe gemeint: "Das ist die am weitesten verbreitete Krankheit Europas." Ich habe versucht zu erklären, wie es sich
anfühlt, gestresst zu sein. Schließlich sagte Djoumé: "Maintenant, je comprends un peu." - "Jetzt verstehe ich ein bisschen". Überzeugt war er nicht.

||| Ich habe Herbstferien. Zeit für eine kleine Deutschlandtour. Nach eineinhalb Jahren ist es Zeit, dorthin zurückzukehren, wo ich ein Jahr studiert habe.

||| Eine Fotografin, die sich alle Zeit der Welt genommen hat. Julia Margaret Cameron hat im 19. Jahrhundert und mit 48 Jahren angefangen zu fotografieren. Auf Grund der riesen
langen Belichtungszeiten der damaligen Apparate mussten ihre Models ganz schön lange stillhalten. Deshalb wirken die Bilder teilweise etwas verklärt oder entrückt. J.M. Cameron hat ein sehr religiöses Leben geführt und war gleichzeitig ihrer Zeit so voraus.

Eine schöne Zeit wünsche ich allen.

21.10.09



Dies ist der Umschlag des schlechten Gewissens. Er enthält alle meine Sünden. Jetzt platzt er wirklich auseinander. Ich muss etwas ändern.
Seit ein paar Jahren wandern dort Etiketten rein von Kleidungsstücken, die ich erworben habe. Versehen mit Beschreibung. Dort kann man lesen:
- Türkisgrauer Cache-coeur
- Frühlingsjacke. Grau mit gelben Knöpfen, weiße Punkte in der Kapuze
- Hellgrauer Baumwollstrickpulli mit großem V-Ausschnitt
- Bikini. Florales Muster in allen Grüntönen
- Weite blaue Bluse
usw. Das hat jetzt ein Ende!

18.10.09



Sammeln ist seit der Steinzeit out und sehr unnötig. Schließlich will sich heute keiner mehr beim Sammeln ertappen lassen. "Sammeln" ist konnotiert mit "überflüssig", "sinnlos". Und schließlich sammelt doch jeder etwas.
Meine nun nicht mehr heimliche Sammlerleidenschaft seit Jahren schon gilt lustig bunt geköpften Streichhölzern. Jetzt habe ich ein neues Schmuckstück für meine Sammlung. Knallig türkis. Diese Farbe hat mir gefehlt! An welcher Stelle muss ich sie einfügen?
Habt ihr einen Sammlerspleen?

17.10.09



||| Bin krank. Seit gestern. Der 2. Tag im Bett. Ich weiß nicht, ob es günstige Zeitpunkte zum Krankwerden gibt, aber gestern war er sehr ungünstig. Ich wollte ja meine Ausstellung vorbereiten! Habe mich dann also dank Parazetamol doch noch zum Ausstellungsort geschleppt. Ich war so neugierig, ob die Bilder auch gut herauskommen. Und ja! Die Stadt Lyon, die die Ausstellung finanziert, hat sich nicht lumpen lassen: Jedes Foto wurde in ca. A3-Größe auf kanadisches Holz gedruckt, sehr schön. Da braucht man gar keinen Rahmen mehr. Das Aufhängen habe ich dann anderen überlassen.

||| Glück im Unglück:
"Das ist so sonderbar, - krank und dumm - ich weiß nicht, ob ich mich richtig ausdrücke, aber mich mutet es ganz eigentümlich an, wenn einer dumm ist und dann auch noch krank, wenn das so zusammenkommt, das ist wohl das Trübseligste auf der Welt."
Hans Castorp aus dem Zauberberg

||| Kranksein lässt ein wenig mehr Zeit als gewöhnlich für die Beschäftigung mit Bildbänden. Ich habe einen von der Fotografin Laurence Leblanc angeschaut, die in Kambodscha Kinder fotografiert. Die Bilder sind schwarz-weiß und unglaublich verschwommen, was sie lebendig und ein wenig tragisch macht. Vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Landes finde ich ihre Herangehensweise sehr berührend. Dieses und dieses Foto mag ich besonders. Auf ihrer Webseite findet man noch mehr.
Rithy Panh, kambodschanische Cineastin, kommentiert in L. Leblancs Bildband:
"Dans ces images, j'ai le sentiment que quelqu'un dérive puis qu'on le ramène petit à petit, pas à pas. La vie est là, mais n'est pas encore visible."
Laurence Leblanc: Rithy, Chéa, Kim Sour et les autres.

||| Schließlich bin ich auch in meiner Satzsuche weitergekommen. Es wird ein Satz von der Dichterin Norma Cole. Ich habe ihren Gedichtband bestellt und warte noch!

Ein schönes Wochenende!

13.10.09



Nach einer kleinen Pause melde ich mich wieder. Ich habe dieses Wochenende einfach die Time-Out-Karte gezückt um mich mit meinem Date in eine Ecke zu verziehen. Nach Amsterdam! So eine süße Stadt, überall Wasser, Brücken, Sträßchen und Häuschen, so schief, dass sie sich aneinander lehnen oder manchmal auch zurücklehnen. Abends ist jede einzelne Brücke über die Grachten mit einer Lichterkette beleuchtet. Die Luft ist nordisch-frisch, das Wetter nordisch-wechselhaft, das Licht kalt und klar, die Leute freundlich und blond. Da bekomme ich Lust, nach einem Jahr Italien und eineinhalb Jahren Frankreich einmal nördlichere Gefilde zu erkunden!
Unter einem Regenschirm von Geschäft zu Geschäft laufen und auf weiß gestrichenen Dielenplanken schöne Dinge entdecken. Gouda mit Cumin. Kekse mit Mandelfüllung. Schiefe Zimmerböden mit Kinderbetten. Wimpernschlag mit herbstlichen Sonnenstrahlen.

Und jetzt geht es in Lyon weiter. Weiter mit der Uni (noch sieben Wochen). Hier ist der Herbst schließlich gekommen und er hat ein wenig Kälte mitgebracht. Ich heiße ihn süßholzteetrinkend willkommen.

07.10.09



Bespiegelung im Gartenteich

Nachdenken über meine Situation:
Fakt ist, dass mir mein Studium nicht gefällt. Meine Profs kopieren ihren Unterricht aus dem Internet und raten mir, Wikipedia als seriöse und wissenschaftliche Quelle in meinem Referat einzusetzen. Die Enttäuschung über die französische Uni, die Frustration, sind an meinen Unitagen von Dienstag bis Donnerstag nicht zu verleugnen.
Fakt ist auch, dass ich diesen Quatsch nur noch ungefähr 7 Wochen mitmachen muss.
Und schließlich ist auch Fakt, dass ich ein deutsch-französisches Studium mache und mir die deutsche Hälfte sehr gefiel. Und dass ich den deutsch-französischen Abschluss inklusive deutsch-französischer Bachelorarbeit gerne machen würde. Sollte ich also wegen einer unzufriedenstellenden Hälfte aufhören? Nein, vermutlich nicht. Aber dieses kleine große B mol*, wie die Franzosen sagen, kostet mich sehr viel Nerven.

Nun denn, da passt wohl ein melancholisches Herbstlied zu. Auch wenn es noch gar nicht kalt werden mag.

*Wermutstropfen.

05.10.09



was war, was ist, was wird
Das Café Moka war einmal. Das Café Moka ist ein Foto jetzt und eine Aufschrift auf einem Haus. Es wird vielleicht beides bleiben, vielleicht nur ein Foto, vielleicht nur eine Erinnerung

Am Wochenende war ich auf Satzsuche. Ihr wisst schon, den Satz für meine imaginäre Fotoreise. Ich habe ihn noch nicht gefunden. Aber ich weiß schon, worum es gehen wird. Um Zeit. Die zerrinnt und zerfällt und unaufhaltsam ist und sich doch manchmal momentartig in unser Gedächtnis brennt. Der Fotoapparat kann diese Momente für gewöhnlich einfrieren. Ich möchte aber dieses Mal keine Momente einfrieren, sondern im Gegenteil Zeit einfangen. Flüchtiges, Zerfallendes, etwas, das schon nicht mehr ist, wenn man den Auslöser betätigt.
Na dann, Ärmel hochgekrempelt!

Meine Hände strömen einen leicht chemischen Geruch aus. Heute war ich in der Dunkelkammer und habe einen Film entwickelt. Das ist Handarbeit und dauert wirklich lange. 30 Minuten neben einem Behälter stehen und alle fünf Minuten neues Wasser einfüllen bietet allerdings endlich mal Gelegenheit, die Kommilitonen besser kennen zu lernen, dort unten im Keller mit schwarz gestrichenen Wänden. Es waren nette Begegnungen.

Heute habe ich aus dem Fenster geschaut und das erste Mal Hallo Herbst gedacht. Mit meinen chemischen Händen habe ich ihm dann zugewunken. Der Mantel hängt bereit.

01.10.09



Meine alte Kamera ist zu neuem Leben erwacht! Eigentlich ist sie eine Leihgabe von meinem Vater. Es handelt sich um die legendäre Canon F1, die 1971 die erste wirklich professionelle Kamera war, die Canon herausgegeben hat. Nun, nach über 30 Jahren, zeigte sie doch einige Gebrauchserscheinungen. Ich habe sie zu einem der letzten Reparateure analoger Kameras dieser Erde (zumindest dieser Stadt) gebracht und er hat ein wenig Patina entfernt...
Jetzt kann das fröhliche Fotografieren weitergehen!

Mein Fotokursthema "Le voyage imaginaire" betreffend habe ich bemerkt, dass meine Arbeit dazu keine Motivwahl sein wird. Das würde mich zu sehr einschränken. Ich werde einen Satz wählen, von dem aus die imaginäre Reise losgehen wird.

..ach ja, und noch eine Fotonotiz: Ich darf eine Ausstellung vorbereiten. Mit meinen Bildern! Ich habe sie heute ausgewählt.