| Aene Gespinst |






aene gespinst.





27.02.12

Davor





#1 Wintervögel
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#2 Die eingefrorene Oder. Inzwischen ist sie wieder aufgetaut, in den Nebenarmen stapeln sich die 
Eisplatten, an der breitesten Stelle rauschen Eisschollen in beeindruckender Geschwindigkeit 
vorbei, gemischt mit Ästen und kleinen Stämmen in einer braunen Suppe. Es sieht nicht mehr so 
schön aus, aber: der Frühling kommt. Sogar in Polen. (Irgendwann).  
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#3 Manchmal weiß ich nicht, ob Wrocław die glanzvollen Zeiten schon hinter sich oder noch vor sich hat
Manchmal finde ich all die verkommenen Gründerzeitbauten mit ihren von jahrelanger Kohlebestäubung 
schwarz verfärbten Fassaden deprimierend; manchmal sehe ich eine wunderschöne Stadt voller 
ungeschliffener Diamanten. Es kommt wohl auf meine Stimmung an. Der Glanz vergangener 
Zeiten ist jedenfalls genauso präsent wie das zukünftige Neuerstrahlen, wenn sich ein patinöses 
Haus gleich an ein frisch renoviertes reiht. Dies ist der besondere Reiz hier. Inzwischen weiß ich auch, 
dass sich hinter den schäbigsten Fassaden mit Jugendstildamen, die sich - leider völlig kopflos - 
um die Fenster ranken, die schönsten Wohnungen verbergen können. Mit geschliffenen Holzböden, 
freigelegtem Stuck und Backsteinwänden. Auch die Löwen, die meine Eingangstür bewachen, 
haben nicht mehr alle Zähne im Gebiss und alle Strähnen in der Mähne. Vielleicht erklärt das, 
warum unser Treppenaufgang dem sittlichen Schlendrian anheim gefallen ist. Ich gehe gerne auf 
Entdeckungsreise in dieser Stadt - die Gebäude haben viel zu erzählen. 

25.02.12

Im Park



Ilmpark, Weimar.

Vielleicht der einzige Ort, den ich in Weimar wirklich vermisse, ein großer englischer Park. 
Er war immer gut zum Kopf Auslüften. Und die von Goethe persönlich ausgetüftelten Sichtachsen 
funktionieren tatsächlich. 

Ein letzter Hauch Winter aus dem Park - nachdem ich soeben bemerkt habe, dass die Vögel schon zwitschern. 
Was fühlen die, was ich nicht fühle?  

24.02.12

Ładny






Es wurde Zeit, ein paar Bilder meiner neuen Stadt zu zeigen. 
Eine meiner Lieblingsecken ist eine der sieben Oderinseln mit der Most Tumski. An dieser türkisen 
Brücke hängen Paare ihre Liebe schlossförmig an die Metallträger, damit sie nicht verloren geht 
und ewig währt. 
Überquert man über die Brücke, läuft man direkt auf die Katedra zu. 
Viel Backstein ist in der ganzen Stadt zu sehen, was mir sehr gefällt. 
Wrocław wurde im zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört, und dann von den berühmten polnischen 
Restaurateuren wieder aufgebaut. Nicht nur die Gebäude, auch die Bevölkerung wurde einmal 
komplett ausgetauscht: Die Deutschen, die Breslauer also, mussten das Gebiet verlassen und Polen aus 
den verlorenen Ostgebieten wurden hier angesiedelt (vor allem aus Lviv in der heutigen Ukraine). 
Wrocław ist also eine Art zusammengewürfelte Migrationsstadt.   

Ładny. Hübsch. 

Kalenderwoche #8

Jetzt habe ich mich daran erinnert, dass ich früher manchmal Kalenderwochen-Posts gemacht habe. 
Sie haben dazu gedient, zufällig gefundene oder gedachte Dinge festzuhalten.

// Heute habe ich sehr zufällig gedacht, dass die Sonne öfter scheinen könnte.

// Ein Lied. Ja, Mädels, ich frage mich auch, wer der heiße Drummer ist.

// Café Monsieur. Das ist mein neues Lieblingscafé in Wrocław und der Ort, an dem ich ganz konzentriert 
Zeitung lesen kann. Ich konnte beobachten, wie frisches Obst und Kräuter geliefert wurden; und man 
kann vom Tresen aus in die Küche gucken, die offen ist. Der Koch fragt immer persönlich nach, ob es 
geschmeckt hat (und wie). Das Logo des Cafés ist ein Schnauzer, eine moustache. Da in dem gleichen 
Haus gute Freunde von mir wohnen, haben wir gestern eine Moustache-Party veranstaltet.  

// Ich weiß gar nicht, ob ihr es schon bemerkt habt: ich habe jetzt eine About-Page. Vielleicht keine 
About-Page im üblichen Sinne, aber sie dient dazu, meine merkwürdigen Namenskreationen zu erklären.  

// Diese Woche war ich krank geschrieben. Über diese zugegebenermaßen sehr witzige Wortfolge 
hat meine Französischlehrerin in der 9. Klasse mal lange philosophiert, was mich besonders beeindruckt hat. 
Sie hat einen Machtakt darin gesehen, dass jemand daherkommen kann und einen anderen Menschen 
krank schreiben kann. 

22.02.12

Love, Life, Work. Work.







Manchmal ist es gar nicht so glamourös, aufregend oder auch nur entspannt, ein Paar zu sein. Manchmal 
ist es einfach sehr banal, man unterstützt sich gegenseitig und (er)trägt sich. Man sieht die uncharmantesten 
Züge am anderen und, das habt ihr sicher auch schon fest gestellt, sie werden nicht etwa dadurch 
charmanter, dass der Geliebte sie hat. Nur die Belohnung, wenn alles durchgestanden ist, ist größer
und die Bestimmung, mit der man durch die unglamourösen Zeiten geht, um wieder schönere 
zu erleben. In Arbeit ersticken, austicken; krank und wehleidig sein - irgendwann geht alles vorbei und 
dann stellt sich ein ganz friedvolles Gefühl ein.     

13.02.12

Dreingabe

Eigentlich ist ein wie auch immer geartetes Identifizieren oder Befassen mit der polnischen Kultur in meinem 
Studium gar nicht gefragt. Eigentlich haben wir nur polnische Professoren, aber keine polnischen 
Kommilitonen. Eigentlich läuft alles auf englisch und eigentlich könnte ich meine Besorgungen 
ausschließlich in internationalen Ketten (Carrefour, Rossmann, Leclerc, Ikea, Tesco, ....) tätigen. 
Eigentlich ist es eine reine Dreingabe meinerseits, dass ich versuche, Polnisch zu lernen und mir Gedanken 
darüber zu machen, wo ich gerade lebe, wie die Menschen sind, was in der Politik los ist usw. Gerade 
letzteres ist aber so unglaublich schwer, wenn man die Sprache nicht versteht. Genauso wie an kulturellen 
Dingen teilhaben. Ich kann nicht einfach eine Zeitung kaufen und erst recht nicht sie verstehen. 
Bisher konnte ich immer die Sprache des Landes, indem ich gewohnt habe. Hier habe ich nicht einmal 
die nötigen Basics, um mich selbst an die fremde Kultur heranzupirschen. Ich brauche jemanden, 
der mich an die Hand nimmt. 
Langsame finde ich sogar Menschen, die mich an die Hand nehmen, die mir die Sprache erklären, 
mir aufschreiben, wie ich nach analogen Filmentwicklungen fragen kann und mir Sprichwörter beibringen.  
Natürlich lebe ich in einer Enklave aus Menschen, die so sind wie ich, viel umgezogen, viele Sprachen gelernt, 
gut ans Eingewöhnen gewöhnt. Das ist unglaublich schön, denn mit diesen Menschen komme ich mir nicht 
exotisch vor. Mein internationaler Kreis hier ist wunderbar, aber ich würde mir doch viel fremder 
vorkommen, würde ich meine zarten Versuche, mich ein wenig zu polonisieren, auch noch einstellen.  

07.02.12

Food | A Case for Vegetarianism

Seitdem ich das Buch "Eating Animals" (J.S. Foer) gelesen habe, denke ich über den Zusammenhang 
zwischen Essen und meinen Erinnerungen nach, über bestimmte Gerichte, Gebäcke, Gerüche, die in eine 
bestimmte Zeit gehören. So wie man einen persönlichen Soundtrack hat – bestimmte Musik, die man zu 
einer bestimmten Zeit gehört hat – so gibt es auch einen Foodtrack.

Familienfeste, zum Beispiel, schmecken nach Butterkuchen, Frankfurter Kranz und Graubrot. 
Familienbrunchs zu besonderen Angelegenheiten oder mit Gästen schmecken nach Mohngugelhupf oder 
Hefezopf. Meine Kindergeburtstage nach Marmorkuchen, der so richtig schön schwarz/weiß war. Wochendmarkt-
Besuche in Lyon nach Oliven und Comté fruité. Skiurlaub nach Germknödeln mit Mohn. Meine Zeit auf dem
Bauernhof in den Marken nach Farro (gekochter Roggen). Sommer zu Hause nach Beeren und selbstgemachtem 
Eistee. Tanzfreudige Abende nach Gin Tonic.
So könnte ich jetzt noch lange weitermachen. Wonach schmecken eure Erinnerungen?

Essen ist das schönste und wertvollste und auch geselligste, was man machen kann. Deswegen gehört 
für mich dazu, dass ich mir Gedanken darüber mache, was ich esse, woher es kommt, und welche 
ökologischen oder sozialen Auswirkungen meine Art zu essen hat. Deswegen gehört Fleisch für mich nicht dazu. 


"The question of eating animals hits chords that resonate deeply with our sense of self – our memories, 
desires, and values. Those resonances are potentially controversial, potentially threatening, potentially 
inspiring, but always filled with meaning. (…) The questions of eating animals is ultimately driven by our
intuitions about what it means to reach an ideal we have named, perhaps incorrectly, 'being human'."
- J.S. Foer, Eating Animals, p. 264 (Penguin Edition)



"Animal agriculture makes a 40% greater contribution to global warming than all transportation 
in the world combined; it is the number one cause of climate change."
- J.S. Foer, Eating Animals, p. 58


Foer bettet seine Überlegungen zum Essen von Tieren in verschiedene Familiengeschichten 
ein (wie eigentlich alle seine Romane Familiengeschichten sind). Besonders Thanksgiving hat es ihm angetan
und die Frage, wie dieses Fest ohne den Turkey aussieht. (Schön und zeitgemäß ist die Antwort, denn der 
heutige Truthahn aus dem Mastbetrieb vollgepackt mit Hormonen und Medikamenten wäre für die frühen 
Pilgrims kein Anlass gewesen zu feiern. Stimmt, denke ich). 

Unsere persönlichen Entscheidungen über das Essen werden nie ganz privat bleiben, da wir mit/bei/vor anderen 
Menschen essen, weil Essen verbindet genauso wie polarisiert. (Weil wir mit Freunden "heute Abend 
zusammen was kochen", eine sehr deutsche Tradition, die exportiert werden sollte). Deswegen besteht 
Hoffnung, dass unsere persönliche Achtsamkeit mit Nahrung, unser Bewusstsein, Kreise ziehen werden.


"As a 'solitary eater' your decisions will, in and of themselves, do nothing to alter the industry. 
That said, unless you obtain your food in secret and eat it in the closet, you don’t eat alone. We eat as 
sons and daughters, as families, as communities, as generations, as nations, and increasingly 
as a globe. We can’t stop our eating from radiating influence even if we want to. (…) 
Eating is a social act."
- J.S. Foer, Eating Animals, p. 261




PS: Ach so, ich bin natürlich auch ein bekennender Fan von Quinoa, Kichererbsen, Amaranth, 
Hülsenfrüchten, Nüssen, Wurzelgemüse usw. Das gehört sich wohl so für ordentliche Vegetarier. Zu meiner 
Verteidigung bleibt zu vermerken, dass David Lynch auch eine ausgeprägte Schwäche für Quinoa hat.

06.02.12

Von der Ostfront

00:10h, der Müll in unserem riesigen Innenhof wird gerade geleert. Irgendwann muss es ja gemacht werden, 
warum nicht mal im Dunkeln. Ach, der Müll, der Innenhof, unsere Nachbarn – das ergibt noch einen gesonderten 
Post. In unserem Treppenhaus sieht man öfters Spuren der Nacht, leere Flaschen, Scherben usw. Neu ist 
allerdings, dass das verschüttete Bier jetzt festfriert und sehr glatt ist.
Aber es hängen weiße Spitzengardinen im Treppenhaus und in Metall gestanzte Blümchen zieren die 
Treppenstufen (Gründerzeitbau); es ist also nicht ganz verwahrlost. Es wird eine Freude, euch das noch genauer 
zu schildern. Fotos vom Treppenhaus folgen im Frühjahr, denn dann scheint die Morgensonne dort hinein.

Jetzt bin ich also zurück im Osten. Jedes Mal ein kleiner Schock, wenn ich wieder fest stelle, dass ich die 
Menschen nicht verstehe. Ich habe keine Ahnung, was sie sich erzählen, was sie bewegt, wie sie es rüberbringen.

„Was hat der Typ da eben gemeint,
ich hab kein Wort davon verstanden,
doch es hat sich wohl gereimt.“

Um mich so schnell wie möglich wieder an Polen zu gewöhnen, habe ich heute Rote Beete im Ofen und Buchweizen 
gekocht. Kulinarische Integration. Morgen könnte ich dann auch wieder meiner Pierogi-Leidenschaft frönen. 
Und ich habe einen Spaziergang gemacht, bei -15° meine Kamera gezückt, um das schöne Winterlicht auf der 
eingefrorenen Oder und den Oderinseln mit ihren Kirchen und Brücken festzuhalten.