| Aene Gespinst |






aene gespinst.





28.02.11

Das starke Geschlecht

Lasst mich noch ein Wort verlieren über die englische Mode. Schon tagsüber schmücken sich die Britinnen mit äußerst wenig Textil. Des Nachts jedoch geht es erst richtig los. Da wird sich, ungeachtet der Temperaturen, die kein Selektionskriterium für Kleidung darstellen, zwischen Strumpfhose und Rock entschieden; beides gleichzeitig kommt selten zum Einsatz. Die Strumpfhose ist manchmal mit einem Muster bedruckt, das zum Beispiel dessousartige Blümchenmuster oder auch Strapsen nachahmt. Der Rock ist selten länger als bis zur Pofalte. Während mir schon beim Hinschauen (Wegschauen ist auch schwierig) alles abfriert, zeigen sich die männlichen Partygänger wenig beeindruckt von der hartnäckigen Fleischbeschau. Sie sehen neben ihren durch gehörige Absätze meist gleichgroßen Begleiterinnen ohne viel Stoff sehr blass aus. Tatsächlich und sprichwörtlich.
Meine Theorie ist folgende: Die Mädels sind so übertrieben halbnackt, dass die armen Jungs sich gar nicht mehr trauen, offensiv zu werden. Denn wenn frau sich schon textiltechnisch als Sexbombe stilisiert, muss (oder vielleicht will) mann ihr ja nicht mehr zu verstehen geben, dass es so ist. Die Frauen hier sind die Pfauen, die sich torkelnd stöckelnd und viel zu hautfarben in die Brust werfen, während die Männer an so viel so kurzen Röcken das Interesse zu verlieren scheinen.

22.02.11

Alles selber machen

Das Leben ist schwieriger geworden. Alles muss man selber machen. Mir fällt es immer wieder auf und dann wäre ich gerne so diszipliniert wie Kant (ja, der Vergleich darf jetzt ruhig mal herhalten). Er dachte, die wahre Freiheit des Menschen läge in der Beherrschung seiner Emotionen/Passionen,  im moderneren Sinne könnte man vielleicht Laster sagen. So lautet jedenfalls meine eigene Interpretation. Kant hatte einen ganz regelmäßigen Tagesablauf und wenn er Husten hatte, verkniff er sich das Husten, um sich zu beweisen, dass seine Willenskraft stärker als seine Impulse war (und dass seine Moraltheorie auch wirklich stimmte). Das ist natürlich albern von ihm gewesen, aber mir geht es um den Grundgedanken. 


Wenn die Unis zum Beispiel am Eingang der Bibliotheken jemanden Autoritäres postieren würden, der jeden Tag kontrolliert, wann der Student das Gebäude betritt und es verlässt, und dann womöglich noch mit Sanktionen drohen würde, dann würde ich keine Zeit verlieren! Wenn alle zehn Minuten mein Rechner schwarz werden würde und mich fragen würde: Willst du jetzt wirklich noch das fünfzehnte Profil von dem Ex der Schwester deiner Grundschulfreundin angucken? (ja) (nein), dann würde ich vermutlich recht zügig peinlich berührt auf (nein) klicken. 


Aber diese Instanzen gibt es nicht und es ist sehr schwer, sie in sich selbst zu errichten. Ich kann das morgendliche "Aus-dem-nochmal-Umdrehen-ist-nochmal-ein-Tiefschlaf-geworden"-Gefühl beim (Nicht-)Aufstehen auf niemanden schieben, außer auf mich selbst, was dieses Gefühl dann noch schlimmer macht. Das ist der Preis der Freiheit, die wir haben und dadurch sehr schnell nicht mehr haben. Vielleicht bleiben Freiheiten nur Freiheiten, wenn man sie für sich selbst wieder einschränkt.   

20.02.11

Required Reading

Diamond, Larry. 2008. The Spirit of Democracy. The struggle to build free societies throughout the world. New York: Holt Paperbacks, pp. 17-87.

Wolin, Sheldon. 2008. Democracy Incorporated: Managed Democracy and the Specter of Inverted Totalitarianism. Princeton: Princeton University Press.

Adorno, Theodor and Max Horkheimer. 1979. (1944). Dialectic of Enlightenment. London: Verso Edition, chapter: „The Culture Industry: Enlightenment as Mass Deception“, pp. 120-167.

Cohn, Carol. 1987. „Sex and Death in the Rational World of Defence Intellectuals“ in: Signs: Journal of Women in Culture and Society, vol.12, no.4, pp. 687-718. 

19.02.11

„The persona you wish to project“

Gestern habe ich mich ganz meiner Persönlichen Performance gewidmet. Ich habe nicht nur an meinen Presentation Skills gefeilt, sondern auch noch an meiner Body Language. Ja, wenn ich die Begriffe so ins Deutsche übernehme, klingt das ja ganz schön lächerlich, merke ich gerade. Wie aus einem „Coach yourself“-Handbuch für Leute, die Management studieren (ich habe mich schon immer gefragt, was das Management-Studium beinhaltet, ich stelle mir da immer eine Menge glatt gebürsteter Leute vor, die die Frage umtreibt: Wie werde ich Chef?, aber vielleicht habe ich da auch eine verengte, ganz und gar verzerrte Sicht).
Also, jedenfalls sprechen hier alle Englisch, da klingt das gleich normaler. Jetzt bin ich ganz schön gewieft und kann (fast) anderer Leute Gedanken lesen, wenn ich nur ihre Body Language aufmerksam lese. Und wisst ihr was, bald könnt ihr es auch: 

„When shoulders are sloping forward they suggest insecurity; when they are too far back, they suggest arrogance.“
„When our palms are facing upwards, we are suggesting warmth and friendliness. When our hands are palm down, then our gravitas is increased.“
Good Listening: “Your head acknowledges understanding – by nodding!”

Wow, vor allem letzter Tipp hat mir die Augen geöffnet. (Die natürlich auch so einiges aussagen, z.B. der Eyebrow Flash – Augenbrauen nach oben ziehen, um jemanden im Vorübergehen zu begrüßen). 

17.02.11

Intermezzo
























Ich habe eine Nacht in einem Schloss verbracht (das war das erfreulichste an einem Kurztrip nach Deutschland). Es war nicht mehr das neuste, es war sogar sehr renovierungsbedürftig. Seine goldenen Zeiten waren schon vorüber, der einstige Charme ließ sich im Verfall erahnen. Ein Zuckerfabrikant hat es vor Jahren als Schloss ausbauen lassen um seiner Existenz etwas Glamour zu verleihen (vermute ich).
Ich kam so spät in der Nacht an, dass ich einfach nur mein Zimmer bezogen habe, Nummer 46, das Schloss steht immer auf und der Schlüssel steckte. Die Wände waren so hoch wie unsere Wohnung hier in England lang ist. Am nächsten Morgen habe ich habe ausgeschlafen und bin dann im Schloss rumgetapst, auf der Suche nach dem Esssaal und der Rezeption. Letztere habe ich nicht gefunden. Im Esssal waren nicht nur die goldenen Zeiten, sondern auch das Frühstück schon vorüber. Ich habe noch ein wenig Tee, zwei Scheiben Banane und Schoko-Reis-Crackers gefunden und ein belegtes Brot vom Vortag (in meiner Handtasche). Gutes Frühstück.   

13.02.11

Sunny Patches
























Sunny Patches hatte uns der Wetterbericht für Samstag versprochen und ich wollte es nicht glauben. Er hatte aber recht, die Sonne hat sich durchgekämpft. Das haben wir genutzt, um endlich einmal die Stadt näher zu erkunden. Abseits der High Street finden sich viele schöne Ecken, Sträßchen, Häuschen, Lädchen, Gärtchen, Pubs (chen?) - alles so klein und schmal! Mittelalterlich, schnuckelig, hutzelig, viel Backstein und mit glänzender Ölfarbe lackierte Fassaden und Türen. Und unseren Lieblingsplatz haben wir auch ausgemacht, einen wunderschönen Farmer's Market: The Goods Shed. Bilder werden folgen, auch vom heutigen Ausflug ans Meer. Analoge Fotografie genehmigt sich eine Verzögerung, die in dieser Welt anachronistisch anmutet. 

11.02.11

Seltene Stille

Gegen Ende der Woche wird es still in der Uni. Wo sich sonst die 18.000 Studenten dieser kleinen Uni-Stadt tummeln, ist es jetzt ruhig und fast besinnlich. Ich komme bei einer heißen Schokolade in dem Gebäude der Architektur (ja, sie haben natürlich das schönste Café) richtig zur Ruhe. Davon hatte ich nicht viel in letzter Zeit.

Die Studenten haben freitags spät nachmittags die Unigebäude oder sogar den Campus schon verlassen. Viele sind aus London und fahren am Wochenende gerne dorthin zurück. Um diese Zeit könnte allerdings auch eine erste Runde im Pub anstehen. Hier wird früh losgelegt. Um 8 Uhr kann der Pub schon aus allen Nähten platzen. Wie praktisch eigentlich, dann kann man sogar noch genug schlafen nach ein paar Pints.
Die Eingewöhnung findet ganz langsam statt, ich kann ihr quasi zuschauen. Ich habe dieses Land zuvor nie betreten und nun lebe ich gleich hier. Noch dazu passiert ständig etwas, was mich zwingt, an Anderes, Zukünftiges, Hypothetisches, Entferntes zu denken, das macht es nicht gerade leichter.
Jetzt bin ich endgültig die letzte hier.
Jetzt doch nicht mehr. 

09.02.11

Scones

Teatime mit mir selbst. Und mit Scones, aber ohne Clotted Cream. Auf dem Campus werden manchmal Köstlichkeiten verkauft, englische, russische, vegetarische, mediterrane, kentishe und überteuerte. 
Besonders faszinierend hier sind die Vögel. Tags wie nachts, und auch bei Regen, hört man ein lautes Vogelgezwitscher. Das ist fast ein bisschen surreal. Es gibt auch Möwen. Das Meer ist nah, auch wenn man es von hier aus nicht sieht. Die Luft ist milder und es friert nicht. Im Garten stehen sogar Palmen. Wir haben einen weiten Blick, sehr viel Himmel, wenn man rausschaut. Meistens ist er grau, aber falls nicht, haben wir den ganzen Tag eine sonnendurchflutete Wohnung. Dann könnte man fast vergessen, dass die Wohnung eine umgebaute Doppelgarage ist. Aber kleiner geht immer in England, wie mir mein Nachbar bestätigte. So eine Doppelgarage ist auch eine logistische Herausforderung, man muss sich geschickt aneinander vorbeibewegen und recht ordentlich sein...

06.02.11

Wonderwood*

























Wege, Linien, Fluglinien, Fluchtwege, Wegweiser, Linienbusse, Lebenswege, Lebenslinien...
Februar wird der Monat des Reisens.  Irgendjemand noch eine Reise gefällig? 
Ob Zug, Bus, Flugzeug oder Fähre - ich bin jetzt Experte. Mein zweites Standbein wird das Reisebüro "gespinst reisen" (bislang ehrenamtlich). Mein erstes Standbein ist mein rechtes. 

*Hommage an mein neues Parfüm.

04.02.11

Englishness #2

KÄLTERESISTENT SEIN: BritInnen sind ganz schön unerschrocken. Kommt ein Sonnenstrahl zum Vorschein, bedeutet das kurze Kleider, ungeachtet der Temperatur (der Figur auch, aber das ist schon wieder mutig). Dann sieht man Miniröcke (ohne Strumpfhose), T-Shirts, kurze Hosen und Ballerinas (auch ohne Strümpfe). Ich habe bei dem gleichen Wetter Lammfellstiefel, Wintermantel und auch sonst viel Warmes an.
NATÜRLICH SINN FÜR UNDERSTATEMENT HABEN: Der Monteur, der unseren Mikrowellenherd mehrfach zu reparieren beabsichtigte, lässt nebenbei fröhlich-nonchalant fallen: „Oh no, it’s a nightmare“, als er entdeckt, dass die Firma ihm das falsche Ersatzteil zugeschickt hat und er umsonst vorbei gekommen ist.
TEAMSPIRIT ODER SOWAS HABEN: Studenten sind hier in Societies, Colleges, Unions etc. organisiert und tragen diese Identitäten auf Kleidungsstücken stolz zur Schau.
DIE COUNTRYSIDE LIEBEN: Hier wird gerade gegen die Privatisierung der Wälder demonstriert, aber wir planen erstmal einen Ausflug ans Meer.
TRINKFEST SEIN: Nun ja, das kann ich dann erst morgen berichten...

03.02.11

02.02.11

Here we are

England - 
ESSEN. Produkte, die von Her Majesty The Queen empfohlen werden, nicht konsumieren. Mit Verlaub, die Dame hat keinen Geschmack! Süß und klebrig scheint sie zu lieben, künstlich noch dazu. Nicht unterwegs essen. Lieber selbst Nahrung zubereiten, um böse Überraschungen zu verhindern.
BUS FAHREN. Beim Aussteigen beim Busfahrer bedanken. Aus der oberen Etage des Busses erst herunterklettern, wenn dieser schon steht. 
ÜBERLEBEN. Erst rechts, dann links schauen. Dann Straße überqueren.
WOHNEN. Klein sein. Sehr klein. Kein Auge für qualitativ hochwertige Materialien und Verarbeitungen haben. (Keine Ansprüche, am besten! Aber einen gut gefüllten Geldbeutel).
SPRECHEN. Oberlippe aristokratisch vorwölben. Vokalen viel Aufmerksamkeit und Dehnungen schenken. Ab und zu mal eine Tonlage höher sprechen, dann wieder tief. 
HÖFLICH SEIN. Happy sein, wenn man jemandem helfen darf. Cheers wünschen, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. 
Weitere Anleitungen zum Englisch Sein und Bilder werden folgen.
Cheers, ihr Lieben!