| Aene Gespinst |






aene gespinst.





14.01.11

Blick in die Vergangenheit, liebevoll und ironisch.

Langsam beginne ich zu verdauen, was ich da gerade gemacht und abgeschlossen habe, ein Studium in Weimar. Dieser Ort ist zwiespältig: Es ist schön da, kuschelig und klein, kreativ und experimentell (wie der Werbeslogan der Uni verspricht – und manchmal sogar hält), dabei auch noch günstig. Jeder Student kann sich einen Altbau mit Dielen und Stuck leisten und sich bohémienlike von dem Betrachten schöner Dinge ernähren. Aber es ist auch isoliert, mikrokosmisch und bisweilen gar nicht innovativ.
Es sei denn, Innovation bedeutet, alles klein zu schreiben, auch substantive und namen, und dazwischen Punkte, gerade Striche oder Slashs einzufügen, sodass die Bedeutung durch diese typographischen Kniffe vermeintlich multipliziert wird. Europa erinnert/sich. Hand|Schrift. institut für medienforschung. Dabei erfüllt alles, was in Pink gedruckt ist, hohe Designansprüche zu vollster Zufriedenheit. Was der Telekom nicht gelungen ist (ihr Magenta rechtlich zu schützen), scheint Weimar ein Kinderspiel.
Wenn ich am Bahnhof ankam, war ich nach kurzer Zeit wieder in die Welt Weimar eingetaucht, hatte die Breaking News schon auf dem Nachhauseweg aufgeschnappt und erfolgreich vergessen, wie klein die große Weimarer Medienwelt von außen doch scheint. Ich ging vom Bahnhof hinunter in die Stadt (versank, sozusagen – auch das Gefälle zwischen Bahnhof aka Verbindung zur Außenwelt und Stadt muss man metaphorisch sehen) und las auf dem Weg, was auf einem Plakat proklamiert wurde: „Berlin war gestern.“ Was dann heute ist, stellt sich sogleich nur noch als rhetorische Frage. Oder ist Weimar vielleicht schon übermorgen?
Als besonders schwierig erweist es sich, in Weimar gute Laune auszustrahlen. Man könnte dabei ertappt werden, wie man in einem Moment des Sich-Gehen-Lassens hinter der Hornbrille hervorkriecht. Würde man vielleicht doch lieber mal was Uncooles machen? NB: Ganz Weimar is watching you. Und wenn es mal nicht hinschaut, fühlt es sich doch so an, als beobachte es dich noch immer. Ein Panoptikum!
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Niemand sollte sich ein Studium in Weimar entgehen lassen, das meine ich wirklich ernst. Komme als graue Maus vom Land und lass Weimar etwas ganz Erstaunliches aus dir machen! Vieles wird in Weimar produziert, das ich gerne angeschaut habe, vorausgesetzt, die nur in geringem Maße aufschlussreiche Interpretation des Schöpfers à la „sieht halt geil aus“ wird ein wenig ignoriert. Und so komme ich zum Schluss mit dem nicht ganz so glamourösen Fazit, das vieles in/aus Weimar „geil, aber unwahr beziehungsweise egal“ ist.* Und trotz allem ist zu bedenken, dass ersteres niemanden ganz unberührt lässt.