| Aene Gespinst |






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15.09.11

Auf Anfang

Dies sind Aufzeichnungen aus den ersten Tagen, die ich euch nicht vorenthalten möchte.

01.09.2011
Dresden-Neustadt. 1 ¾ Stunden Aufenthalt.

Es fühlt sich so an, als wäre Deutschland hier zu Ende, als wäre man schon so weit gereist, dass es jetzt eigentlich nicht mehr viel weiter gehen könne. Es geht für mich aber noch ein ganzes Stück Richtung Osten.
Für 2,50€ leiste ich mir gebratene Asia-Nudeln vom Mai-Mai-Imbiss. So bescheiden wie der Preis ausfiel schmecken sie dann auch. In den Tisch, an den ich mich setze, sind kleine Schaukästen eingelassen, in denen alle möglichen Sorten asiatischer Nudeln ausliegen. Das ist überhaupt nicht appetitanregend. Nicht minder eklig hört sich auch die Harzer Blasenwurst an. Sie wird an dem Stand gegenüber als Südharzer Spezialität verkauft und sollte mal über eine Namensänderung nachdenken. Zum zweiten Mal geht eine Frau an mir vorüber, die aussieht, als wolle sie meinen Rucksack klauen (bilde ich mir ein).
Die Nudeln schaffe ich nicht ganz, aber wenn man eine warme Mahlzeit für 2,50€ kauft, darf man auch mal etwas stehen lassen. In London hätte ich das gleiche für 8 Pfund kaufen können. Hätte ich es dann wenigstens aufgegessen? Wahrscheinlich. Ich stelle den Rest in den Geschirrständer, den sich bereits ein Spatz als Futterstelle ausgesucht hat. Noch ein bisschen Sonne aufsaugen, und dann geht es schon weiter über die Grenze.


02.09.2011
Mieszkanie numer 3

Irgendwie war völlig an mir vorbeigegangen, dass in dieser Stadt nachts Autorennen gefahren werden. Und ich mitten drin! Es stand zwar Taxi auf meinem Rennauto und der Fahrer wollte dann auch noch Geld von mir, aber ich habe die ganze Aktion ziemlich schnell durchschaut. 
Eine Nacht mit lauter neuen, urbanen Geräuschen und ein Tag voller Putzlappen liegen hinter mir. Der Altbau wird nachts von den klingelnden Straßenbahnen erschüttert, die jedoch irgendwann aufhören zu fahren.
Der Tag beginnt mit einem Schwätzchen auf polnisch, das mir die Verwalterin der Wohnung munter aufdrückt. Ab und zu verstehe ich ein Wort – entweder, weil es so ähnlich klingt wie im Deutschen (mit einem -owy, einem -tki oder Ähnlichem am Ende) oder weil ich es tatsächlich kenne (selten) – dann erhellt sich meine Miene, ich sage „tak tak“ oder „dobrze“, weil man das hier so sagt, wenn man einverstanden ist. Auf polnisch kann ich bisher nur einverstanden sein. Vielleicht hätte ich noch deutlicher machen sollen, dass ich nichts verstehe, anstatt mit den zwei Wörtern, die ich kenne, nicht geizen zu wollen? Nun gut, ich glaube, ich habe auch so verstanden, wo die Kissenbezüge sind und dass die Verwalterin es nicht nötig findet, den Badezimmerteppich zu waschen. Den hatte ich eifrig schon mal in den Wäschekorb gegeben, und sie hat ihn wieder herausgefischt. Außerdem habe ich inzwischen meinen dritten Mietvertrag unterschrieben, was ihn nicht zwangsläufig legaler, dafür aber quantitativ performanter macht.  
Dann habe ich mir die Wohnung vorgeknöpft. Altbau-Charme mischt sich mit dem zweifelhaften Charme kommunistischer Plastikverehrung der 70er-Jahre. Hier muss die Spreu vom Weizen getrennt werden. Am Ende des Tages kann man sich glücklich schätzen, wenn man selbst so frisch wie das Badezimmer aussieht. Auch in meinem Zimmer nimmt das Wohlbefinden zarte Formen an. Wohnzimmer und Küche sind härtere Brocken. Das Wohnzimmer schmückt sich mit Plastikblumen, Kreuzen und Papstbildern, die ich noch unauffällig verschwinden lassen muss; die Küche hat im Laufe ihres Lebens ein bisschen zu viele verwaschene Tapeten-, Plastik- und Linoleumfarbnuancen gesehen.
Alternativ könnte ich hier auch ein Museum aufmachen. 


Dieses herzerweichende Arrangement hat sich eine kleine Auszeit genommen.

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