| Aene Gespinst |






aene gespinst.





20.06.12

Home for the past 9 months






#1: Blick in den Innenhof vom Schreibtisch und Schreibtisch.
#2: Wohnzimmer.
#3: Küche, Mittagessen, Polish Patterns Bettwäsche, Treppenaufgang mit Spitzengardinen. 

Freunde von Freunden, diese Webseite, die mich durch die unglaubliche, betont uninszenierte 
Perfektion ihrer abgebildeten Bewohner der digitalen Bohème und deren Wohnungen regelmäßig 
kopfschüttelnd-ungläubig vor meinem Bildschirm verharren lässt (ja, fragt mich ruhig, warum 
ich die Seite dann überhaupt anschaue).
Hier meine Version -  Freunde fon Freunden (Exklusiv-Interview mit Selbst):



æne, who lives in this typical old building from the times when Wrocław was still German, welcomes 
us with her warm-hearted smile and freshly bought Polish herbatniki in her flat. We immediately 
felt welcomed as if we had found a home in the unknown. Polish warmheartedness has definitely 
rubbed off on her. 


So fängt es immer an. Die Gastgeber, die die Türen ihrer tollen Wohnungen öffnen, werden erst 
einmal in höchsten Tönen gelobt. Besonders wird die Wärme und Menschlichkeit der Bewohner 
betont – warum eigentlich dieser Wettbewerb im Warmherzig-Sein? Würde sonst wohl doch 
alles zu unmenschlich, gekünstelt wirken. 

FfF: æne gespinst, sag mal, kriegst du nicht den Koller in dieser Wohnung?

æ: Doch, den Koller bekomme ich. Mich erfasst dann das ganz unbändige Gefühl, mich vor eine 
weiße Wand setzen zu wollen und sie tranceartig eine lange Weile anzustarren.

FfF: Wie ist es für dich, in dem Haus anderer Leute zu wohnen, mit deren Sachen in den Schränken?

æ: Ich habe mir Schneisen in diese Sachen gebahnt, und meine eigenen dazwischen platziert. 
Ein paar Dinge mussten in den Keller weichen. Also die Trockenblumen und die Papstbilder meine ich. 
Und die Kleider aus kommunistischen Zeiten. Von denen hat man einen Ausschlag bekommen, 
wenn man sie angefasst hat. Auch ein paar Familienbilder aus dem Wohnzimmer mussten weichen, 
denn sie verlangen geradezu aufmüpfig nach einem persönlichen Bezug, den ich nicht bieten 
kann. Ich habe die Bilder lieber zu den Kassetten und dem Sonntagsservice in den Schrank 
gelegt. 
Insgesamt mag ich aber das Gefühl, in einer Wohnung mit Geschichte zu leben, mit Familien-
geschichte, die ich ja teilweise auch kenne. Die verschiedenen Lagen Farbe, Linoleum und Tapeten 
zu sehen. Außerdem ist die Wohnung für mich ein großer Luxus, im wahrsten Sinne des Wortes. 
Auf 92mzu zweit lebt es sich sehr gut. Es dauert eine Minute, von einem Ende der Wohnung 
zum anderen zu laufen! (lacht).

FfF: Was ist der kurioseste Gegenstand, der dir in dieser Wohnung über den Weg gelaufen ist?

æ: Eine Infrarotlampe, Familienfotoalben, Plastikkronleuchter. Auch die Seife, die man in einen 
Magnet hineindrückt um sie anzudocken, ist herrlich. Hatte meine Oma auch. Eierschneider, 
Pökelhölzer. Bettwäsche mit vielen Blumenmustern. Ockergelb gestrichener Fußboden...

FfF: Stopp stopp, das reicht. Wir wollen unsere Leser nicht verschrecken.

æ: Entschuldigung. Ich wollte noch ein bisschen weitermachen. Ich werde diese Wohnung sehr 
vermissen, müssen sie wissen. Mit allem darin. Mit meinen Freunden und mir in dieser Stadt.

FfF: Dein Hausflur hat herausgeschlagene Fensterscheiben, duftet nach Bier und die Mülltonnen 
im Innenhof ernähren Bewohner wie Tauben.

æ: Ja, die Tauben sind wirklich nicht so angenehm. Und man sollte keine Yogaatmung im Treppen-
haus vollführen. Aber es ist immer was los im Innenhof und auf den Wänden sind so viele Graffiti, 
dass es auch nicht langweilig wird beim Hochsteigen. Der Gegensatz zwischen diesem Hausflur 
und den Spitzengardinen, die jemand an den herausgebrochenen Fensterscheiben angebracht 
hat, ist so herzzerreißend, dass ich manchmal weinen muss, wenn ich nach Hause komme.

FfF: Was hat dich dazu gebracht, in Polen zu leben?

æ: Das Leben ist originell (Italo Svevo).



The three hours of visiting passed so quickly as if we had been friends forever. æne gespinst 
very politely guides us back to her street as we were a bit afraid of leaving the building alone. 
We will come back in 15 years time when everything is renovated and refurbished and gentrification 
has proceeded. Until then, we wish æne gespinst good luck with her future projects.  

19.06.12

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"Ich bin ein Kleinbürger und kann nicht lächeln wie Mozart. 
Ich bin ein Kleinbürger und neige dazu, alles zu dramatisieren." 


- Pier Paolo Pasolini, italienischer Regisseur, 1922-1975. 

18.06.12

More Poland









#4: deutsche Spuren. Überall. (Treppenhaus, Stahlträger) 







            

Liste der Dinge, die ich vermissen werde (Auszug):

++Oder. Odra. Ein Fluss, der sich oft verzweigt und die ganze Stadt auf vielen Wegen durchfließt. 
Geht man von meiner Wohnung aus immer geradeaus Richtung Norden, kommt man an das 
Ufer, dort wo es ganz weit ist und der Fluss von breiten Wiesen und Bäumen gesäumt wird.
Wild irgendwie. Meine Freundin aus China hat gemeint, dieses Wilde sei typisch für Osteuropa, 
in Westeuropa ist alles eingefasst, gepflegt, begradigt.
Abendsonne. 
Vollmond im Rücken.

++à propos Osteuropa: gelernt, dass Polen nicht im Osten ist, sondern in Zentralosteuropa.

++haufenweise Pierogi, an besonderen Tagen: Blaubeerpierogi mit Sahne und Zucker. Auch 
haufenweise Erdbeeren. Milchbars – gutes Essen für gutes Geld. Buchweizen, Kohlsalate, rote 
Beete zu schätzen gelernt. Rührei mit gedünsteten Rote-Beete-Blättern.

++Marie Skłodowska-Curie.

++Polnische Spitznamen. Alle werden mit Spitznamen angeredet. Ich hieß Aniu.
Polnische Deklinationen.

++kleine Warzywa/Owoce Läden, wie der aus dem vorletzten Post, in denen ich immer Obst 
und Gemüse eingekauft habe. Eine supermarktfreie Zeit. 

++rüttelnde Straßenbahnen, in denen es keine Doppelsitze gibt, sondern nur Einzelsitze entlang 
der Fenster.

++der Kontrast zwischen den heruntergekommenen Häusern, Fassaden, Transportmitteln und 
den immer hübschen Frauen. (Auch wenn ihre Schönheit sich über viel Tamtam und Schminke 
definiert, Make-up ist quasi ein Statussymbol, das man ruhig sehen darf).

++Cukiernia Kamila und die unfreundlichste Bäckerin der Welt - aber auch ihre Köstlichkeiten: 
jabłko w cieście, placek basi, rogalik z marmoladą, sernik krakowski.  

15.06.12

Wrocław coffee






This is where I always went in need for good coffee, a chat and a "witaminowy shot" with parsley 
and lemon. 


Grazie al cuoco!


Café Monsieur, wo wir Freundschaften geknüpft haben, Referate und Bewerbungen vorbereitet 
haben, die letzten Reiseabenteuer ausgetauscht haben. Und immer einen Minimuffin geschenkt 
bekommen haben. Café Schnurrbart.


- Wrocław, Więzienna 31. 

14.06.12

This is why I liked my Polish neighbourhood








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Man muss das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist. 
Schließlich endlich, schlussendlich, zeige ich euch mein Viertel, in dem ich 9 Monate gelebt habe 
und es lieben gelernt habe.

(vom letzten Tag in Wrocław:)
Nun es ist schon Zeit zu gehen und pathetisch denke ich seit ein paar Tagen: Nun wirst du dies 
und jenes zum letzten Mal tun und an diesem oder jenen Platz das letzte Mal entlanglaufen. 
Als ob das den Wert einer Geste erhöhen oder ihren Genuss steigern würde, wenn man sich 
ständig sagt, dass es das letzte Mal sei. Das Gegenteil ist der Fall, wage ich zu behaupten. Dazu 
noch dieses schreckliche Gefühl, nicht ansatzweise alles gesehen und gemacht zu haben, in 
dieser Stadt, in diesem Land, die Sprache nicht genügend zu beherrschen... Ach, Abschiede. 
Ich kenne sie und finde sie gleichzeitig so brutal wie aufregend.
Aber, wenn es mich nicht wehmütig stimmen würde, weiterzuziehen, dann hieße das wohl, dass 
ich es hier nicht mochte. „I’m glad to be sad“ kann ich also sagen (Textor und Renz).

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Es ist immer wieder spannend, durch dieses Viertel zu schlendern, nach wie vor hin- und her-
gerissen, ob es schöner wäre, wenn es renoviert wäre oder nicht.

#1: Nein, ich musste nicht Schlange stehen für Lebensmittel.

Aufstand

"Ich werde nie wieder nichts tun", sagte das Känguru traurig.
"Nie wieder?", frage ich.
"Sie lassen einen nicht", sagte das Känguru.
.
(als es von dem Ministerium für Produktivität abgeholt wird, 
Anm.: aene gespinst).
- Marc-Uwe Kling, Das Känguru-Manifest
.
Der rebellischste Akt heutzutage: Nichts tun. Gar nicht so einfach. 
Ich bereite mich auf eine Rebellion vor diesen Sommer.